Beobachtet von weitem,...(4)

Veröffentlicht auf 3. Oktober 2014

"Meister! Meister!"

"Ja Schüler? Was versetzt dich in eine solche Aufruhr?"

"Ich habe darüber nachgedacht was sie mir zuletzt gesagt haben. .. Sie bieten den Wörtern einen bequemen und sicheren Weg um geordnet von einer alten Schriftrolle zur nächsten wechseln zu können."

"Nun, genau so ist es."

"Meister, was wäre wenn man nicht Wort für Wort, sondern zusammenhängende Sätze überträgt?"

"Inwiefern?"

"Nun. Bei meinen ersten Übungen ist mir aufgefallen, dass man sich jedes Wort erst einmal einprägen muss um es dann auf die nächste Rolle übertragen zu können. Und, und da fiel mir auf, das dabei Zeit verloren geht. Wir benötigen sehr viel Zeit und Ruhe um jedes Wort übersetzen lassen zu können. ..."

"ja, das ist..."

"...wenn wir die Wörter die zusammen einen Sinn ergeben in Sätze packen; uns diesen Satz merken und diesen dann sinngemäß auf die nächste Rolle übertragen..."

"Nun, warte. Das darf..."

"...dann erspart dies uns kostbare Zeit und wir können schneller die großen Berge alter Schriftrollen erneuern."

"Du bist vielleicht ein Jungspund. Du hast eine interessante Idee. Aber diese umzusetzen, würde bedeuten die Bedeutungskraft der Wörter zu verlieren."

"Die ...Bedeutungskraft der Wörter?"

"Ja. Jedes Wort besitzt eine eigene Bedeutung die von Wort zu Wort unterschiedlich stark ist. Es ist sehr wichtig die Kraft jedes einzelnen Wortes perfekt übertragen zu können, um zu gewährleisten, dass jedes einzelne Wort seine Bedeutung nicht verliert. Du kannst nicht einfach so, zusammenpassende Wörter in Reihen gliedern und eben mal sinngemäß übertragen. Jedes Wort hat eine Bedeutung und ..."

"Aber wir lesen doch auch in Sätzen, wenn wir nicht erneuern? Warum also die Erneuerung schwerer machen, als sie ist? Das ist auf diese Weise härtere Arbeit."

"Lässt du mich bitte ausreden?"

"Entschuldigt..."

"Was ich versuche dir zu erklären, ist, dass wir unter keinen Umständen zulassen dürfen, dass wir willentlich die Kraft eines Wortes, nicht mal einem einzigen, abschwächen. Du weißt was unsere Aufgabe ist?"

"Ja natürlich. Wir sind dafür da, das Leben eines jeden Menschen auf der Erde zu dokumentieren. Dafür wird jeder einzelne von unserer Art geboren und bekommt nach seinen Lehren einen Menschen zugeteilt. Wenn wir nicht mehr die Kraft haben die uns zugeteilten Menschen zu beobachten oder der uns zugeteilte verstorben ist, erneuern und ordnen wir die alten Schriftrollen, bis wir wieder beobachten sollen."

"Ganz genau."

"Aber wenn wir doch jedem Satz die Menge der Bedeutungen der Wörter in seiner Reihe zusammenbringen und dann übertragen, so bliebe doch der Wert jedes Wortes in einem Satz erhalten?"

"Ich kann dir nicht folgen."

"Welche Wörter besitzen eine hohe Bedeutungskraft?"

"Hm, da gibt es starke positive und negative. Liebe und Frieden und Krieg und Hass zum Beispiel."

"Wenn wir nun all diese Wörter eine Zahl entsprechend ihrer Bedeutungskraft geben und in einem Satz zusammenzählen, dann wäre es die gleiche Bedeutungskraft wie wenn die Wörter einzeln übertragen werden, oder?"

"Ja da hast du vielleicht Recht, dennoch ist es ein Wagnis. Wir dürfen nicht riskieren, dass die Wörter an Kraft verlieren. Zudem wären alle vier dieser Wörter nie zusammen in einem Zusammenhang gelangt. Wenn die Menschen nur vom Guten reden, sehen sie auch nur das Gute und handeln so. Sehen sie nur das Schlechte, reden und handeln sie folglich nur im schlechten. Nie ist es vorgekommen, dass Krieg und Frieden in einem Zusammenhang gebracht worden sind. Ich möchte, dass du weiter die gelernte Methode zur Erneuerung übst. Es gibt keinen Grund diese zu verändern ohne ein Risiko einzugehen."

"Aber,... es ist bestimmt risikofrei! Ich habe das genau überlegt und.."

"Nein!. Schluss damit."

"Ich will doch nur helfen. Die Erneuerung leichter machen."

"Nein. Dir fehlt der Ehrgeiz die Methode bis zur Perfektion einzustudieren. Studiere sie weiter und mit den Jahrzehnten, wirst du erkennen, dass dieser Weg der Richtige ist. Und nun, entschuldige mich. Eine weitere Erneuerung wartet auf mich."

 

"Ja, auf Wiedersehen Meister."

Geschrieben von Juli

Veröffentlicht in #beobachtet von weitem, #Kurzgeschichten

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